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Gut für das Leben.

  • bobbype
  • 29. Nov. 2021
  • 5 Min. Lesezeit

Es war ein Apriltag, wie er im „Buche“ steht. Regen, Hagel und Sonnenschein auf der Autobahn. Ich habe mich mit Friedrich Wilhelm Haarstrich zu einem besonderen Termin in Hannover verabredet. Diesmal geht es nicht vordergründig um das Thema Energieanlagen und deren technische Details, sondern um ein ganz besonderes Projekt. Mehr hatte er mir noch nicht verraten. Wir treffen uns in einer Wohneinrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Zunächst erscheint mir der gedankliche Sprung von Energieanlagen der „Wechselkraft“ zu Menschen mit Handicap etwas groß. In meinen Gedanken will sich kein Zusammenhang herstellen. Dies sollte jedoch nicht so bleiben.

Mir wird schnell klar, ich lerne heute die andere Seite von einem Geschäftsführer eines Startups kennen. Eine Seite, die mich sehr beeindruckt, die aber auch den Menschen Friedrich Wilhelm Haarstrich erklärt, denn er hat ein zweites Leben. Das Leben eines engagierten, helfenden Menschen, der sich vor allem für die Menschen mit Behinderungen einsetzt. Ich frage ihn nicht nach dem „Warum“, denn er tut es einfach und nur das zählt.


In diesem zweiten Leben führt er mit anderen engagierten Menschen eine Sozialgenossenschaft mit dem Namen „Aktiv-DabeiSein“. Diese Sozialgenossenschaft kümmert sich darum, dass Menschen mit Handicap stärker am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Nicht unbeeindruckt frage ich ihn bei einer Tasse Kaffee, wie denn das Thema „Wechselkraft“ und dieses Engagement inhaltlich zusammenpassen. Lächelnd antwortet er mir: „Ach, soweit liegen die Themenfelder gar nicht auseinander. Bei „Aktiv-DabeiSein“ kümmern wir uns um Menschen mit Handicap und bei Wechselkraft kümmern wir uns um die Natur mit Handicap. Beides hat mit Leben zu tun.“


Bei dieser für mich unerwarteten Antwort wächst bei mir die Frage, was „Wechselkraft“ mit dem „Kümmern um eine Natur mit Handicap“ zu tun hat. Aber auch da kommt prompt der Hinweis, dass in der „DNA von Wechselkraft die Reduktion des CO2-Ausstoßes fest verankert ist und diese Zielsetzung der Grund für die Gründung von Wechselkraft ist“. Er sagt: „Wir sind ein Umweltunternehmen“. Während er diesen Satz sagt, sehe ich in seinen Augen die tiefe Überzeugung, etwas bewegen zu können und bekomme gleich danach eine Idee um die Ohren gehauen, die diese Überzeugung ganzheitlich dokumentiert.


„Wir haben eine Idee gehabt, die sowohl das Engagement unserer Firma „Wechselkraft“, als auch die Arbeit von „Aktiv-DabeiSein“ zusammenbringt. Wir engagieren uns für den Artenschutz, in dem wir landwirtschaftliche Flächen pachten und diese zu Blumenwiesen machen“. Er berichtet mir von der Idee „wiesenpacht“.


Das Modell dahinter ist nicht neu, aber wie er sagt: „Die Qualität einer Idee hängt von ihrer Umsetzung ab.“ Das war dann mal ein Satz, der es in sich hat. Er erläutert mir die Mechanik:

„Wiesenpacht pachtet von Bauern Flächen und bringt statt der üblichen Monokulturen, Blumensaat aus. Über ein Portal werden für diese Fläche 100 qm-Patenschaften von Menschen, denen die Erhaltung der Artenvielfalt am Herzen liegt, als Jahrespatenschaft gewonnen. Die Wechselkraft GmbH unterstützt dieses Projekt mit voller Kraft.


Auf diesen Wiesen wird ein Imker der Region seine Bienenvölker aufstellen. Unsere Sozialgenossenschaft bindet die Menschen mit Beeinträchtigungen aktiv in dieses Projekt ein. Sie sollen ein Gefühl für die Natur und den Umgang mit ihr entwickeln. Auf diese Art helfen Menschen mit Handicap der Natur mit Handicap. In den Sommerferien sollen mehrere Gruppen behinderter Kinder und Jugendlicher dieses nachhaltige Projekt im Rahmen einer Exkursion besuchen.


Unsere Paten werden ab einer Wiesenpatenschaft von 200qm ein Glas Blütenhonig von unserem Partnerimker erhalten. Ein großer Teil des Überschusses geht an die Sozialgenossenschaft, um weitere wichtige Projekte zu finanzieren.“


Wechselkraft Wiesenpacht 1

Spätestens jetzt wird mir der inhaltliche Zusammenhang klar. Es ist nicht nur irgendein Engagement nach dem Motto: „Man muss ja irgendwas machen, um eine gesellschaftliche Daseinsberechtigung zu dokumentieren“, sondern es ist ein ganzheitliches Konzept. Wie ganzheitlich und umsetzungsstark er dabei die Dinge anpackt, erlebe ich, als wir nach ca. 30 Minuten Autofahrt auf einer Ackerfläche stehen. Nicht ohne Stolz berichtet mir Friedrich Wilhelm Haarstrich, dass hier auf 1,6 ha das erste Pilotobjekt entsteht und das bereits die ersten 300qm in einer zertifizierten Patenschaft belegt sind.

Wechselkraft Wiesenpacht 2

Weitere 10 Minuten später stehen wir auf einem anderen Feld und unterhalten uns mit Torben Saffe. Torben gehört zur Betriebsgemeinschaft Dolgen GbR, einem Zusammenschluss von Bauern, die gemeinsam ihre Flächen bewirtschaften und die Fläche für das Pilotprojekt zur Verfügung gestellt haben. Torben erzählt uns, dass er das Saatgut für die erste Blumenwiese bereits besorgt hat und die Saat in den nächsten Tagen ausgebracht wird. Er ist gespannt, wie sich das Projekt „wiesenpacht“ entwickeln wird. Die Idee findet er super.


Wechselkraft Wiesenpacht 3 Torben Saffe

Nachdem wir uns von Torben verabschiedet haben, stehen wir nach kurzer Fahrt auf dem Betriebshof der Betriebsgemeinschaft Dolgen GbR. Der Imker Wolfgang Melloh aus Burgdorf ist da. Er erzählt uns von seinen Bienen. Es ist spannend ihm zuzuhören, denn das Verhalten von Bienen unterliegt oft einfachen Mechanismen.

Wechselkraft Wiesenpacht 4

Ich wusste nicht, dass Bienen weiße Kleidung nicht wahrnehmen können. Ich wusste auch nicht, dass Bienen sich über Geruch orientieren und deshalb Parfüm oft ein Lockmittel für Bienen und die schmerzhafte Erfahrung eines Bienenstiches sein können. Auch das 80% der bestäubenden Insekten Bienen sind und die Anzahl der Bienenvölker in Deutschland sich in 25 Jahren halbiert hat. Das führte mir vor Augen, wie dramatisch wir Menschen den Tieren Schaden zufügen. Doch eigentlich schaden wir uns damit selbst, denn es gibt in Deutschland dadurch zu wenig Bienenvölker für eine ausreichende Bestäubung der nahrungserzeugenden Pflanzen und Bäume. Wir ernten also immer weniger.

Wiesenpacht Artenschutz

So langsam wird mir klar, wie Friedrich Wilhelm Haarstrich denkt und welchen Platz das Thema Nachhaltigkeit in seinem Kopf hat. „Alles hängt mit allem zusammen“ sagte er einmal zu mir. Auf dieses vernetzte Denken lässt er sich ein und es gelingt ihm, Verbündete an einen Tisch zu bekommen und sie zu begeistern. Dabei ist es ihm völlig egal, ob er Bauer, Imker oder ein Mensch mit Beeinträchtigung ist. Er will sie alle gewinnen.


Nachdem wir uns die beeindruckende Landtechnik auf dem Betriebshof angesehen haben, fragt er mich, ob ich noch einen Moment Zeit habe, denn er will mir noch etwas zeigen. Wir fahren nach Mehrum. Noch im Auto bemerke ich sein verschmitztes Grinsen. Wir nähern uns dem Kohlekraftwerk Mehrum. Mehrum schaffte es durch die Verbrennung von Steinkohle und Klärschlamm pro Stunde 2,5 Millionen m³ Rauchgas und 24 Tonnen Flugasche zu produzieren.

Wechselkraft 5 Kohlekraftwerk

Jetzt steht der Kollos da und raucht nicht mehr. Friedrich Wilhelm Haarstrich sagt zu mir: „Da steht ein Sieg der Vernunft. Das Kraftwerk wird im Dezember 2021 stillgelegt werden. Das ist ein Erfolg für „Wechselkraft“ mit seinem dezentralen Energieversorgungsansatz und für die Bienenvölker. Wenn wir ganzheitlich denken und die Innovationen von „Wechselkraft“ klug einsetzen und gleichzeitig der Natur auf natürlichem Weg heilend auf die Sprünge helfen, dann ist das gut für das Leben. Als wir uns verabschieden sehe ich das Unternehmertum von einem Friedrich Wilhelm Haarstrich aus einer anderen Perspektive. Wirtschaftlicher Erfolg reicht ihm nicht, wenn er nicht auch ein Beitrag für die Umwelt und der Allgemeinheit ist. Es ist genau der Unternehmertypus, den wir brauchen. Da denkt einer nicht mehr nur nach, sondern er denkt vor.

Wechselkraft 6 Friedrich-Wilhelm Haarstrich

Für mich war dieser Tag ein Lehrstück im ganzheitlichen Denken. Übrigens bin ich nun Wiesenpate. Es ist der direkteste Weg meinem Gesprächspartner zu zeigen, wie sehr ich ihn verstanden habe.


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